Der Charakter meiner Recherche macht es möglich, überall da, wo man Interessantes vermutet, vom Weg abzugehen und sich anzuschauen, was da so rumliegt.
Heute kam per Post eine kleine, 12-seitige Broschüre hier an:
Was wird in dieser Broschüre behandelt?
Zunächst einmal beziehen sich die Anweisungen nur auf Teilnehmer und Offizielle:
Die deutsche Reichsregierung hat anläßlich der XI. Olympischen Spiele Berlin 1936 große Erleichterungen für die Einreise der Teilnehmer und Offiziellen nach Deutschland (sic!) verfügt. Sämtliche deutschen Zollämter haben Anweisung erhalten, nicht nur diese Erleichterungen großzügig durchzuführen, sondern allen Gästen behilflich zu sein. Bei der Einreise nach Deutschland werden den Teilnehmern an den XI. Olympischen Spielen und Inhabern des mit Lichtbild und laufender Nummer versehenen Ausweises die folgenden Erleichterungen gewährt.
Welche Erleichterungen waren das?
- Zollerleichterungen: Gepäck zum persönlichen Gebraucht, inklusive Lebensmitteln, Tabak, Arzneimittel und Massagestoffe (?) sowie Sportgeräte konnten zollfrei eingeführt werden.
- Zollabfertigung: Großes Reisegepäck und Mannschaftsgepäck wurde erst im Olympischen Dorf bzw. in einem der „Olympia-Zollämter“ „im Beisein des Mannschaftsführers“ und nicht bereits an der Grenze kontrolliert. Pferde und Boote wurden direkt an den Sportstätten (in Spandau, Grünau bzw. Kiel) kontrolliert.
Weiterhin wurden Anweisungen in Bezug auf Devisen gemacht und diese waren vergleichsweise streng:
Deutsche Zahlungsmittel in Noten und Münzen dürfen bis zum Betrage von RM 30.- eingeführt werden. Dieser Betrag ist aber nur zum Verbrauch im Inlande bestimmt und darf daher nicht wieder ausgeführt werden.
Wertpapiere, ausländische Zahlungsmittel und deutsches Münzgeld dürfen nur im Rahmen der freien Grenze von RM 10.- im Monat aus Deutschland ausgeführt werden. Reichsbanknoten und deutsche Goldmünzen dürfen überhaupt nicht ausgeführt werden.
Soweit, so strikt.
Diese Bestimmungen scheinen jedoch nur für Deutsche gegolten zu haben (auch wenn diese wohl kaum als Gäste zur Olympiade anreisten?), denn für Ausländer wurden weitere Angaben gemacht:
Ausländer können jedoch die von ihnen mitgebrachten Zahlungsmittel (ausgenommen deutsche Reichsbanknoten) bei der Wiederausreise ungehindert wieder mitnehmen, wenn sie sich bei der Einreise an der Grenze über die mitgeführten Zahlungsmittel usw. eine Grenzbescheinigung ausstellen lassen.
An wen richtete sich diese auf deutsch verfasste Broschüre eigentlich?
Ich dachte zuerst, es sei eine Art Dienstanweisung. Die Zollangestellten müsste man ja aber nicht daran erinnern, eine Grenzbescheinigung zu beantragen, oder?
Waffen durften unter Vorlage eines „Olympia-Ausweises (Identity-card)“ eingeführt werden.
Pferde mussten amtstierärztlich untersucht werden. Die Blutuntersuchung findet in den Stallungen in Ruhleben statt. […] Die Pferde müssen Deutschland innerhalb vier Wochen nach Schluß der Olympischen Spiele wieder verlassen.
Und zu guter Letzt: Autos
Zur Erleichterung der Einreise von Ausländern in Kraftfahrzeugen zu den Olympischen Spielen werden von allen Grenzzollstellen auf mündlichen Antrag besondere Olympia-Zollvermerkscheine ausgegeben. Ausländische Reisende, die ein ausländisches Personenkraftfahrzeug […] einbringen und keinen Zollpassierschein (Triptyk, Carnet de passage) besitzen, dagegen im Besitz eines gültigen Reisepasses sind, können auch wenn sie nicht im Besitz eines Olympia-Ausweises oder einer Olympia-Besucherkarte sind, diesen Zollvermerkschein beantragen. […] Der Olympia-Zollvermerkschein berechtigt zur einmaligen Ein- und Ausreise und kostet eine Gebühr von RM 1.-.
Verwirrend.
Also jeder ausländische Besucher kann an der Grenze einen Zollvermerkschein bekommen. Wenn ich aber mit meinem eigenen Auto anreise, brauche ich dafür einen Zollpassierschein. Wenn ich einen gültigen Reisepass habe (wie sonst kann ich einreisen?), kann ich für mein Auto auch einen Zollvermerkschein bekommen. Ich muss dafür nicht nachweisen, dass ich wirklich zu Olympia nach Berlin fahre.
Letzte Bestimmung:
Aha. Ausländische Autos durften als bis dahin mit lediglich 20 Litern im Tank einreisen. Da stellt sich mir natürlich gleich die Frage, was hatten Autos überhaupt für einen Verbrauch damals?
Ein schnell gegoogleter Artikel in der Welt informiert:
Äußerlich unterschied sich der Mercedes-Benz 260 D nicht vom Benziner-Modell 230, das seit 1936 gebaut wurde. Unter der imposanten Haube sah es freilich anders aus. Der Diesel hatte knapp 2600 Kubikzentimeter Hubraum und vier Zylinder. Das reichte für 45 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 97 Stundenkilometern.
Der Benziner hatte weniger Hubraum, zehn Pferdestärken mehr, und er brachte ein damals beachtliches Spitzentempo von 110 Stundenkilometern zustande. Dafür schnitt der Diesel in der Frage der Wirtschaftlichkeit eindeutig besser ab: Er kam mit 9,5 Litern des vergleichsweise preiswerten Dieselöls auf 100 Kilometern aus, während der Benziner 16 Liter Treibstoff schluckte.
Mit den 20 Litern wäre mal also bis zur nächsten Tankstelle nach der Grenze gekommen.
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