Arthur Friedrich Bergmann ist der Zahnarzt, der Ernst ad hoc eine Bescheinigung über eine Behandlung ausstellt:
Arthur Friedrich Bergmann – Dentist, staatlich geprüft
Laut Wikipedia handelte es sich bei Dentisten um Zahntechniker, die nach erfolgreichem Besuch einer Dentistenschule Patienten behandeln durften.
1910 umfasste die Ausbildung zum Dentisten in Deutschland mindestens sechs Jahre. Davon waren drei Jahre bei einem Dentisten zu absolvieren, ein Jahr Ausbildung in Prothetik, vorwiegend bei einem Zahnarzt. Anschließend erfolgte eine viersemestrige Ausbildung an einem Lehrinstitut für Dentisten mit abschließender Prüfung. Ausbildungsbefugt an den Lehrinstituten für Dentisten waren approbierte Medizinalpersonen.
1920 wurde die dentistische Ausbildung staatlich anerkannt. Nach Abschluss der dentistischen Staatsprüfung waren die Absolventen „Staatlich geprüfte Dentisten“. Sie erhielten keine Approbation.
Im Bundesarchiv bin ich bei der Recherche nach dem Zoll in Grenzach erneut auf Herrn Bergmann gestoßen. Im Sommer 1943 schreibt Oberregierungsrat Karrasch vom Oberfinanzpräsidium in Karlsruhe an das Reichsfinanzministerium in Berlin:
Arthur Friedrich (Bergmann) hatte seine Praxis also in der Baslerstraße 49 (vermutlich auch schon 1935):
Die Praxis liegt damit nur etwa 100m vom Elternhaus Katharinas im Bäumleweg entfernt. Ob Herr Bergmann ein persönlicher Bekannter oder Bekannter der Familie Winter war, oder ob es einfach am schnellsten war – jedenfalls liegt nahe, wieso Ernst zu ihm ging, um schnell eine Bescheinigung zu erhalten. Ich glaube irgendwie nicht, dass er tatsächlich schon länger dort in Behandlung war.
Im Juni 1943 jedenfalls, also einige Jahre später, möchte Herr Bergmann in die Schweiz übersiedeln und sein zwanzig Jahre altes Haus schnellstmöglich verkaufen. Er ist auch bereit, unter Wert zu verkaufen, wenn es nur schnell geht.
Die Situation des Bezirkszollkommissariats scheint besorgniserregend: „Die bisherige Unterbringung ist völlig unzureichend. Der BZKom hat eine Notwohnung inne, die Diensträume sind in dunklen Räumen eines Privathauses untergebracht.“ Das ist erstmal seltsam, denn 1935 existierte ein Zollhaus (s. Ernsts Bemühungen um eine Wohnung dort) und aus weiteren Akten weiß ich, dass weitere Zollhäuser geplant waren.
„Der Erwerb des Hauses ist daher dringend zu empfehlen.“
Doch bereits einen Tag später muss Karlsruhe eine Korrektur nach Berlin schicken: Der Kaufpreis soll doch höher sein, ein Missverständis:
Herr Bergmann will zwar wirklich verkaufen – es taucht jetzt noch ein weiterer Interessent auf – doch zu einem anständigen Preis.
Auf welchem Wege gingen die Meldungen nach Berlin? Per Post? Jedenfalls kommt das zweite Schreiben kurz nach dem ersten dort an. Ob die Bestätigung per Telegram, datiert vom 25.06. jedoch VOR oder NACH der ergänzenden Information versandt wurde, kann nicht eindeutig festgestellt werden:
Vor Ort nahm man nun eine Schätzung des tatsächlichen Wertes vor und machte ein Gegenangebot: 35.000 RM.
Herr Bergmann (jetzt richtig benannt), will „in die Schweiz zurück kehren“. Er scheint Schweizer zu sein, oder anderweitig ein Aufenthaltsrecht dort zu besitzen. Außerdem will er „über den Kaufpreis verfügen könne[n], d.h., daß ihm der Transfer in die Schweiz gestattet werde.“
Dies war tatsächlich nicht unproblematisch, denn das Deutsche Reich erhob eine Sondersteuer für Auswanderer (vgl. hierzu den Bericht der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg Flüchtlingen, Link, hierzu ab S.185).
Bei Arthur Friedrich Bergmann handelte es sich offenbar um einen Schweizer, der als Rückwanderer von den strengen Gesetzen, insb. jüdische Flüchtlinge betreffend, ausgenommen war, trotzdem war es – wie auch im Schreiben bereits ersichtlich wird – nicht einfach, Vermögenswerte „mitzunehmen“:
[…] am 19. August 1937 vereinbarten die beiden Staaten, dass die emigrierenden Schweizer Staatsbürger Kapitalbeträge von maximal 50 000 Reichsmark (rund 87 000 Franken) in die Schweiz transferieren durften.
Die schweizerische Gesandtschaft in Berlin übernahm diese Gelder und
bestritt damit unter anderem Unterstützungszahlungen an in Deutschland lebende bedürftige Schweizerinnen und Schweizer. Die Rückwanderer erhielten in der Schweiz den Betrag in Franken wieder ausbezahlt; sie hatten dabei jedoch einen empfindlichen Verlust hinzunehmen, weil der angewandte Wechselkurs fast 50% unter dem offiziellen Clearingkurs lag. […] Da die Gesandtschaft für die übernommenen Kapitalien nicht genügend Verwendung fand, waren die Transfermöglichkeiten bereits 1938 «sehr beschränkt» und reichten «lange nicht aus, um allen Rückwandererwünschen entgegenzukommen». Auch erfolgten die Auszahlungen in der Schweiz erst nach langen Wartefristen und in Teilbeträgen.
Zwischen 1937 und 1943 konnten Rückwandererguthaben von 4 Millionen Franken in die Schweiz zurückgeschafft werden (hinzu kamen 3 Millionen im Kapital-Härtefall-Verfahren) , während vor dem Krieg allein die jüdischen Schweizer 16 Millionen Franken im Reich besassen. (Bericht der Unabhängigen Expertenkommission S.190f)
Unabhängig von dieser Frage, mit der sich das Reichsfinanzministerium nicht weiter aufhält, wird die Zustimmung zum Kauf (erneut) gegeben:
In dieser Akte ist der Vorgang damit abgeschlossen. Jedoch findet sich an anderer Stelle noch eine Art Schlusswort:
An wen das Haus verkauft wurde und ob es ihm gelungen ist, sein Vermögen zu transferieren, dazu weiß ich aktuell noch nichts. Arthur Friedrich Bergmann ist nicht im Sippenbuch Grenzach (von 1974) zu finden, d.h. er lebte zumindest zum Zeitpunkt von dessen Zusammenstellung nicht mehr im Ort (und war auch zuvor „nur“ eingewandert). Auch online konnte ich bisher keine weiteren Informationen zu ihm finden. Der einzige irgendwie passende Treffer auf einer Ahnenforschungsseite führt nach Amerika – nicht unwahrscheinlich aber es liegen auch keine Indizien dafür vor, dass es sich dabei um die gleiche Person handelt:
Was bleibt, ist bei einem weiteren Archiv-Besuch in Grenzach heraus zu finden, ob dort noch Informationen liegen.
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