In der Zwischenzeit habe ich weitere Informationen zu Dr. Pitsch aus dem Staatsarchiv Freiburg erhalten.
Im März 1947 musste Dr. Pitsch einen Fragebogen der französischen Besatzungsverwaltung ausfüllen. Es handelt sich dabei um einen sog. „Entnazifizierungsfragebogen“, in dem neben Angaben zur Affiliation au parti Nazi (Mitgliedschaft in der NSDAP) u.a. auch Informationen zu Auslandsreisen ab 1933 und zum jährlichen Einkommen abgefragt wurden.
Dr. Pitch ist zu diesem Zeitpunkt bereits Obermedizinalrat, also verbeamteter Arzt, und lebte in Freiburg. Diese Stelle hatte er laut den Unterlagen mindestens auch schon im Juli 1946 inne.
Bis Kriegsende war Dr. Pitsch definitiv in Grenzach, danach scheint er aber beinahe sofort seine Praxis aufgegeben zu haben, um die Stelle in Freiburg anzunehmen.
Aus den Unterlagen erfährt man, dass Dr. Pitsch seit 1928 und bis 1934 Schularzt der Gemeinde Grenzach war. 1934 kündigte das Gesundheitsamt diesen Vertrag. Weiterhin war Dr. Pitsch ab 1938 bis zum Ende des Krieges Betriebsarzt in zwei der großen Industrieunternehmen am Ort: Salubra und Geigy.
In diese Zeit fällt auch eine Auszeichnung, die Dr. Pitsch 1938 durch das Deutsche Rote Kreuz erhalten hat. Dort war er seit 1923 als Bezirks-Kolonnenführer und DRK-Feldführer tätig und machte sich bei zwei größeren lokalen Vorfällen verdient: beim Bergwerksunglück in Buggingen (1934) und bei der „Massenkohlenoxyd-Vergiftung“ in der Kirche in Tegernau (1935).
Weiterhin lernen wir aus dem Fragebogen, dass Dr. Pitsch eine Zeit lang (1939 – November 1942) als Unterarzt in der Sanitätsabteilung in Donaueschingen diente, krankheitsbedingt aber entlassen wurde. Aus seinen Ausführungen geht nicht hervor, ob er tatsächlich in Donaueschingen eingesetzt war, oder in einem der zugehörigen Lazarette, etwa in Lörrach.
Faktisch war er also 1938/39 Betriebsarzt, dann 1939-1942 bei der Wehrmacht und anschließend ab 1942 wieder in Grenzach, u.a. als Betriebsarzt.
Dem Fragebogen liegen Begleitschreiben sowie ein selbst verfasster Lebenslauf bei. Aus diesen Unterlagen können folgende Angaben in seiner Biografie ergänzt werden:
Dr. Pitsch ging in Basel zur Schule, nahm als Freiwilliger (20-jährig) ein Jahr lang (1914-1915) am 1. Weltkrieg teil, studierte anschließend bis 1919 Medizin. 1924 heiratete er Lily Roth, eine Schweizer Krankenschwester, mit der er zwei Kinder hatte. Seit 1924 war Dr. Pitch als Praktischer Arzt in Grenzach tätig.
Von der Machtübernahme an war ich wegen meiner pazifistischen Einstellung, meiner Zugehörigkeit zu einer Loge und meinen internationalen Beziehungen verschiedensten Verfolgungen und Demütigungen ausgesetzt, besonders, da ich 1932 auf einer internationalen Kundgebung in Basel für Abrüstung und gegen Rassen- und Klassenhass gesprochen hatte.
Ich stand der Paneuopa-Bewegung nahe.
Seit 1934 gehöre ich dem Kreise C.G. Jungs in Zürich an, wo ich mich in Psychotherapie ausbildete.
Ich bin ein Freund Albert Schweitzers.
Der Vorgang wird abgerundet durch eine Reihe von Empfehlungsschreiben / Bescheinigungen. Demzufolge war Dr. Pitsch vier Jahre lang (1941-1945?) als betreuender Arzt in einem Lager für slowenische Kriegsgefangene in Herten eingesetzt:
Auch als Betriebsarzt in Grenzach kam Dr. Pitsch offenbar mit Zwangsarbeitern in Kontakt und auch hier scheint er einen positiven Eindruck hinterlassen zu haben. Dies bestätigt ihm sein Freund, der Grenzacher Bürgermeister (siehe vorangegangenen Beitrag zu deren Verhältnis):
Dr. Pitsch fügt seinen Unterlagen darüber hinaus eine Stellungnahme zu einem innerhalb der Ortsgeschichte Grenzach durchaus kontroversen Fall und seiner Rolle darin bei. Der durch den Gauleiter Badens, Wagner, 1933 eingesetzte Bürgermeister, Dr. Ebbecke, war beschuldigt worden, mehrere Jungen sexuell belästigt zu haben. Trotz dieses Vorwurfs konnte er sich jedoch noch einige Zeit im Amt halten. Laut eigener, durch den aktuellen Bürgermeister und weitere Zeugen bestätigten Aussage, hatte Dr. Pitsch eine entsprechende Meldung bei der Staatsanwaltschaft gemacht und wurde anschließend aufgrund dieser Anzeige bedroht:
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