Unbewusstes Lesen

Manchmal lese ich etwas mit halber Aufmerksamkeit, während ich ein Dokument nach etwas ganz anderem durchscanne.

Meine Augen fliegen dann so über die Seite, auf der Suche nach bestimmten Stichwörtern. Plötzlich bleibe ich an etwas ganz anderem hängen und dann erinnere ich mich an den Psychologie-Unterricht bei Herrn Kurz in der 12. Klasse (Wahlfach), als wir u.a. über den Cocktail-Party-Effekt gesprochen haben. Und an diese „Wusstest du eigentlich…“ Fakten, wo man dann sowas lernt wie „das Auge sieht alles und das Hirn verarbeitet alles, aber nur unbewusst“.

Wenn ich große Mengen an gedruckten Quellen auswerte, muss ich mich darauf verlassen, dass mein Auge und mein Gehirn mich passiv unterstützen. 100 % sicher kann ich mir natürlich nicht sein, aber ich habe mittlerweile eine gute Technik entwickelt, mit der ich umfangreiche Dokumente oder lange Texte schnell durcharbeiten kann.

Ganz wichtig ist, dass ich vorab eine grobe Idee habe, was in dem Dokument zu finden ist. Bei völlig neuen Themen oder bei Texten, die richtig eingeordnet werden müssen funktioniert die Methode natürlich nicht. Oder wenn es darum geht, ein bestimmtes Schriftstück im Detail auszuwerten.

Letzte Woche habe ich eine umfangreiche Lieferung aus dem Bestand des Bundesarchivs bekommen, 8 Akten mit jeweils zwischen 200 und 300 einzelnen Seiten. (Anmerkung: Wieso das Bundesarchiv einzelne .jpg verschickt, verstehe ich nicht. Man muss zuerst eine .pdf erstellen und die kann dann natürlich nicht durchsucht werden. :/)

Es handelt sich bei den Akten um einen Auszug aus einem Gerichtsverfahren, in dem eine Reihe von ähnlichen Fällen gemeinsam verhandelt wurden. Für mich war nur einer dieser Fälle wirklich relevant, ein oder zwei andere halb-relevant. Ich kannte den Namen des Opfers und den Ort sowie die Namen von Beteiligten, die ggf. befragt wurden.

Also geht das Scrollen los, zum Glück versteht man recht schnell, wie so Akten aufgebaut sind, so dass ich oft einfach viele Seiten überspringen konnte, weil sie für „meinen“ Fall nicht relevant waren.

Ich habe gefunden, wonach ich gesucht habe.

Aber, long story short:

Während ich nach meinen Signalwörtern Ausschau halte, springt mir plötzlich auf einer ansonsten nicht weiter relevanten Seite eine Anmerkung ins Auge, die für das Thema, an dem ich gerade arbeite, keine Bedeutung hat, die aber plötzlich einen Sachverhalt zusammen fasst, den ich in der Klarheit bisher so nicht bewusst verstanden hatte.

Danke Auge, danke Gehirn, good job!

Und jetzt noch der Ausschnitt:

Bundesarchiv B 162/19729


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