Die umfangreichsten Dokumente, die zur Beantragung einer Heiratsgenehmigung vorliegen mussten, sind sicherlich die Ahnentafeln. Ernst & Katharina haben diese sorgfältig ausgefüllt und man kann sich nur wundern, wie sie in Zeiten ohne Internet und angesichts der Tatsache dass beide keine lebenden Großeltern mehr hatten, diese detaillierten Informationen beschaffen konnten. Sicherlich war damals die „Familienbibel“ noch weit verbreitet und man konnte daraus entsprechende Informationen erhalten, aber auch eine solche Bibel wird ja in der Regel nur an ein Kind vererbt und sowohl Ernst als auch Katharina hatten viele Onkel und Tanten.
Welche Hilfestellung gab die SS bzw. das RuSHA dem Antragsteller?
Anleitung.
1. Welche Angaben muß die Ahnentafel enthalten?
Die Ahnentafel muß alle Vorfahren des SS-Angehörigen bezw. seiner Frau oder Braut enthalten, soweit sie am 1. Januar 1800 oder später gelebt haben.
Für jeden Vorfahren ist anzugeben:
- Name (bei Frauen nur Geburtsname) und sämtliche Vornamen.
- Geburtsort, Geburtsjahr, Geburtsmonat, Geburtstag (hinter *).
- Sterbeort, Sterbejahr, Sterbemonat, Sterbetag (hinter †).
- Religion (hinter R.).
- Beruf (hinter Ber.).
- Heiratsort, Heiratsjahr, Heiratsmonat, Heiratstag (hinter ⚭).
Für die Frau bezw. die Braut ist eine besondere Ahnentafel einzusenden. Kinder sind auf der Rückseite der Ahnentafel anzugeben.
2. Wie wird die Ahnentafel ausgefüllt?
Zunächst trägt der SS-Angehörige (bezw. die Frau) – möglichst in Maschinenschrift, sonst mit Tinte – alle geforderten Angaben über sich selbst ein. Sodann werden in Feld Nr. 2 die Angaben über den Vater und in Feld Nr. 3 die Angaben über die Mutter eingesetzt. Feld Nr. 4 ist für die Angaben über den Großvater väterlicherseits, Feld Nr. 5 für die Angaben über die Großmutter väterlicherseits bestimmt. Feld Nr. 6 und Nr. 7 dienen für die Eintragungen über die Großeltern mütterlicherseits. In gleicher Weise sind in den Feldern Nr. 8 bis Nr. 16 die Urgroßeltern zu verzeichnen und in den Feldern von Nr. 16 bis Nr. 31 die Ur-Urgroßeltern.
Sämtliche nicht urkundlich belegten Angaben (errechnet oder aus Familienüberlieferung) sind mit Bleistift einzutragen.
Begründung für fehlende Angaben oder Vermerke wie „nicht festzustellen“ oder ähnliche sind auf einen besonderen Bogen zu schreiben. Sie gehören nicht in die Ahnentafel.
Es ist besonders darauf zu achten, daß die Eltern eines Vorfahren immer in den beiden unmittelbar darüber liegenden Feldern stehen müssen.
Dazu vergleiche folgendes Schema:
Die in den Urkunden eines Vorfahren enthaltenen Angaben über Namen und Beruf seiner Eltern sind in die entsprechenden Felder einzutragen, auch wenn über diese Eltern keine besonderen Urkunden vorliegen.
3. Beschaffung von Urkunden für die Angaben in der Ahnentafel.
Für den SS-Angehörigen (bezw. seine Frau) und für alle Vorfahren sind folgende Urkunden als Beleg für die Richtigkeit der Ahnentafel notwendig:
- Geburtsurkunde oder Taufschein.
- Heiratsurkunde oder Trauschein.
Gewünscht ist die Sterbe-Urkunde.
Der SS-Angehörige stellt zunächst alle Angaben, die er in der Familie erfahren kann, auf einem besonderen Bogen zusammen. Er fordert dann die entsprechenden Urkunden an unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß die Urkunden zum Nachweis der arischen Abstammung für die Reichsführung SS benötigt werden.
Für die Zeit nach 1876 sind die Standesämter zuständig, für die Zeit vorher die Pfarrämter. Urkunden aus dem Auslande vermitteln die jeweiligen Deutschen Konsulate; diese sind beim Auswärtigen Amt, Berlin W 8, Wilhelmstraße 74 zu erfahren.
Alle bekannten Daten sind bei der Anforderung genau anzugeben. Ist ein Datum nicht genau bekannt, so ist die Hilfe des örtlichen Schulungsleiters zu erbitten.
Die Gebühr für jede Urkunde beträgt RM -.60. Bei nachgewiesenem und von der vorgesetzten Dienststelle bescheinigtem Unvermögen kann die Gebühr erlassen werden.
4. Beifügen von Urkunden.
Urkunden und Belege über die Angaben in der Ahnentafel sind bei Einreichung der Ahnentafel beizufügen. Die Urkunden sind für jede Ahnentafel getrennt in einen besonders großen Briefumschlag zu stecken. Auf diesem Briefumschlag sind Name, Wohnort, Dienstgrad, SS-Nr., SS-Einheit, gegebenenfalls VB-Nr. Zu vermerken. Auf jeder Urkunde ist in der Ecke oben rechts die Nummer, unter der der Betreffende VorFahr in der Ahnentafel geführt ist, mit Bleistift anzugeben, zum Beispiel: Geburtsurkunde der Großmutter mütterlicherseits „7“, Trauschein des Großvaters und der Großmutter väterlicherseits „4/5“.
Die Ahnentafel ist vor der Absendung an das Rasse- und Siedlungshauptamt dem zuständigen Schulungsleiter vorzulegen. Dieser hat die Eintragungen in der Ahnentafel mit den vorgelegten Urkunden zu vergleichen. Nicht ordnungsgemäß und nicht ausreichend (1. 1. 1800!) ausgefüllte Ahnentafeln sind von dem Schulungsleiter von der Absendung an das Rasse- und Siedlungshauptamt zurückzuhalten.
Die Urkunden erhält der Antragsteller nach Prüfung vom Rasse- und Siedlungsbau-Hauptamt zurück.
—-
Puh.
Was ist also zu tun? Ernst & Katharina sollen 4 Generationen zurück bzw. bis zum Jahr 1800 ihre Vorfahren auflisten. Das wäre heutzutage entsprechend bis 1890 zurück. Da käme ich auf jeden Fall schon ins Schleudern. Denn zwar befasse ich mich hier ausführlich mit meinen Urgroßeltern, aber ja nur mit 1 von 4 Paaren, von den Ur-Urgroßeltern (8 Paare!) ganz zu schweigen. Das kann ich jetzt für diesen einen Zweig der Familie, weil mir die Vorarbeiten von Ernst &Katharina vorliegen, und für einen Teil der mütterlichen Vorfahren, weil in diesem Teil der Familie ein ausgeprägtes, offensichtlich vererbtes, Interesse für Ahnenforschung besteht. Aber da sprechen wir von Namen, evtl. Geburts- und Sterbedaten. Aber Heiratsdaten? Berufe?
Dem SS-Angehörigen und seiner zukünftigen Braut wird es nicht einfach gemacht. Ein paar interessante Details:
- Die Frage nach der Religion kann nur insofern interessant sein, als dass eine nicht-christliche Angabe problematisch wäre. Insbesondere natürlich „Jüdisch“. Andererseits gibt es keine Abfrage nach der „Rasse“. Laut nationalsozialistischer Definition war man Jude nicht als Angehöriger einer Religion, sondern als Abkömmling von mindestens drei jüdischen Großeltern. So legten es die „Nürnberger Rassengesetze“ (konkret: das „Reichsbürgergesetz“), erlassen im September 1935 fest. Es wäre daher interessant, ob spätere Vordrucke der Ahnentafel hier andere Angaben fordern.
- Alle Angaben müssen mit Urkunden belegt werden. Das bedeutet, dass der SS-Angehörige zu den einzelnen Stellen, die ja auch benannt werden, hingehen musste und sich bspw. im Pfarramt eine Kopie der Heiratsurkunde seiner Urgroßeltern ausstellen lassen musste: „unter ausdrücklichem Hinweis, dass die Urkunden zum Nachweis der arischen Abstammung für die Reichsführung SS benötigt werden“. Man musste also im Zweifel postalisch Anfragen in alle Himmelsrichtungen schicken, wenn die Familie nicht (wie bei Ernst) seit Jahrzehnten am gleichen Ort ansässig war. Die Recherche war also nicht nur inhaltlich kompliziert, sondern auch ein ziemlicher Zeitaufwand. Die Urkundenausstellung sollte zum Einheitspreis erfolgen: 60 Reichspfennig je Urkunde. Laut Wikipedia beträgt die Umrechnung 1 Reichsmark (1937) = € 4,10. Eine Urkunde sollte also etwa 2,50 Euro kosten.
- “Ist ein Datum nicht genau bekannt, so ist die Hilfe des örtlichen Schulungsleiters zu erbitten“. Inwiefern dieser Schulungsleiter mehr Erfolg haben könnte, ist fraglich. In jedem Fall musste der Schulungsleiter die zusammen getragenen Unterlagen aber prüfen und im Zweifel zurück halten, bis sie zufriedenstellend waren:
Diese Prüfung erfolgte am 15.10.1935 durch den „SS Mann“ Ludwig Krumm aus Lörrach.
-> Einschub: Jetzt wird mir auch klar, wieso es sich um eine „Reserve“-Einheit handelte. Das ist die Bezeichnung für die Einheiten der SS-Angehörigen zwischen 35 und 45 Jahren (Wikipedia).
UPDATE:
Ich danke Herrn Dr. Heiko Wegmann für folgenden Hinweis: Während die südbadische 65. SS-Standarte drei bis vier aktive Sturmbanne hatte und ihre Stürme, Züge, Trupps usw. kleinteiliger aufgebaut waren, hatte sie nur einen Reserve-Sturmbann (Sitz Freiburg) für die etwas Älteren mit insgesamt 3 Reservestürmen, wovon der 2. In Lörrach lag. Aber auch der hatte nach m. W. die drei Züge Lörrach, Rümmingen und Waldshut.
Ich habe hier nur die beiden Formularseiten Katharinas abgebildet, die entsprechenden Dokumente von Ernst sehen genau gleich aus. Interessant ist, dass Katharinas Adresse hier in Grenzach angegeben wird, nicht wie sonst überall im Antrag mit Allschwil.
Zum zeitlichen Ablauf habe ich ja bereits festgestellt, dass die Prüfung durch den „Schulungsleiter“ der letzte Schritt war und die Unterlagen dann im Prinzip sofort abgesandt wurden. Das Begleitschreiben Ernsts datiert vom 16.10. und bereits am 18.10. werden die Unterlagen in Berlin abgestempelt.
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