Intermezzo 1934

Er hatte auf das richtige Pferd gesetzt, als er sich 1929 (oder 1930?) dazu entschied, bei dieser nicht-mehr-ganz-so-neuen aber immer noch aufregend-neuen Bewegung mitzumachen. Und es sei der Hinweis erlaubt, dass da unten bei uns und erst recht da hinten im Wiesental, virale Ereignisse nicht ganz so schnell ankamen, wie das in den Großstädten und Universitätsstädten des Reichs der Fall gewesen sein mag.

Trat er aus Langeweile bei? War er wirklich überzeugt davon, dass es sich bei der NSDAP um die einzig deutschdenkende Partei handelte? Und was hat ihn zu diesem Schluss geführt? Hatte er sein Glück zuvor bei anderen Parteien versucht, oder war das eben so ein Gefühl, wie es so oder so ähnlich heute scheinbar auch wieder viele Unzufriedene haben? Dass da mal einer denen da oben Bescheid geben muss, weil es so ja nicht weiter gehen kann und so weiter und so fort. Hat ihn jemand überzeugt, komm doch mal mit? Oder brauchte irgend jemand lediglich noch eine weitere Unterschrift, so dass er halt  im Herbst 1929 als sechster Mitbegründer der N.S.D.A.P. Ortsgruppe Zoll i/W  aktiv wurde?

Welche Gründe es gewesen sein mögen, wird sich aus der Distanz vermutlich nicht mehr feststellen lassen – es sei denn, es tauchen noch weitere Quellen auf und selbst dann bleibt doch immer die Unsicherheit der nachträglichen Interpretation. Das alte Gebot, dass wir eben aufgrund dessen, dass wir wissen, wie die Geschichte ausgeht, nicht darauf schließen dürfen, wie diejenigen, die das nicht wissen konnten, gehandelt haben, es wird sich nicht auflösen lassen.

Er hatte jedenfalls, so oder so, auf das richtige Pferd gesetzt.

Nicht nur für die NSDAP ging es in den Jahren nach 1930 bergauf, auch für Ernst Maier sollten bald schon bessere Zeiten anbrechen und es ist schwer von der Hand zu weisen, dass sich für denjenigen, der dies erlebte, ein Zusammenhang zwischen beidem natürlich herstellen musste. Nicht nur subjektiv, auch rein auf Grundlage der bekannten Fakten und durch einfaches Kombinieren stellt sich ein solcher schnell her. Mit dem Aufstieg der NSDAP begann auch der (gesellschaftliche) Aufstieg Ernst Maiers.

  • Oktober 1929 (1930): Ernst Maier tritt der NSDAP und gleichzeitig der SA bei
  • 06. Oktober 1932: Ernst Maier wechselt von der SA zur SS 
  • 30. Januar 1933: Adolf Hitler,  Parteivorsitzender der NSDAP, wird zum Reichskanzler ernannt, die SA feiert diesen Anlass mit einem Fackelumzug durch Berlin
  • 23. Februar 1933: Hermann Göring gründet in seiner Funktion als kommissarischer preußischer Innenminister die preußische Hilfspolizei, die sich hauptsächlich aus SA-Mitgliedern zusammen setzt, auch in anderen Teilen des Reiches bildet sich sog. „Hilfspolizei“
  • Ernst Maier: „Nach der Machtübernahme war ich einige Zeit als Hilfspolizist tätig.“
  • 05. März 1933: Bei den sog. „letzten freien Wahlen“ erzielt die NSDAP auch aufgrund der Verfolgung von KPD und SPD die notwendige Mehrheit, um am
  • 24. März 1933 das „Ermächtigungsgesetz“ zu erlassen, wodurch sie von nun an ohne legislative Zustimmung regieren konnte
  • Im Laufe des Jahres wächst die SA auf beinahe 4 Millionen Mitglieder an
  • 07. April 1933: Aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums ist es von nun an möglich, Beamte und Angestellte aufgrund ihrer jüdischen Abstammung und nicht genehmen politischen Einstellung zu entlassen. Beamte müssen fortan einen sog. „Ariernachweis“, also einen Nachweis, dass kein Großelternteil jüdisch war, erbringen.
  • Gleichzeitig werden sog. „Alte Kämpfer„, d.h. diejenigen, die der Partei vor 1933 beigetreten sind (und eine Mitgliedsnummer unter 300.000 nachweisen können) sowie Mitglieder von SA und SS, die als solche schon vor dem 30.01.1933 aktiv waren, bevorzugt befördert
  • 14. Juli 1933: Das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien wird erlassen, das alle Parteien mit Ausnahme der NSDAP für verboten erklärte
  • 02. Juli 1933: Ernst Maier wird „SS Angestellter beim Zoll (Grenzdienst)“, Hauptzollamt Waldshut (genauer: Hilfsgrenzangestellter)
  • 01. Dezember 1933: Das Gesetz zur Einheit von Partei und Staat wird erlassen und die NSDAP damit zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erklärt
  • 01. Dezember 1933: Ernst Maiers „Ehrenamtl. Tätigkeit“ im Grenzdienst endet
  • 30. Juni 1934: Als Folge des sog. „Röhm-Putsches“ verliert die SA an Ansehen, insb. gegenüber der SS, und wird quasi bedeutungslos
  • Ernst Maier: „Nach einjähriger Grenzdienstzeit wurde ich zur Angestelltenprüfung zugelassen, wonach ich nach bestandener Prüfung auf den …
  • 01. Dezember 1934: Ernst Maier wird zum Zollgrenzangestellten befördert und nach Grenzach versetzt
  • November 1935: SS-Unterscharführer Ernst Maier ist laut eigener Aussage „seit 2 Jahren Zollangestellter“

Der Fackelzug zu Ehren des neuen Reichskanzlers Adolf Hitler bewegt sich durch die Wilhelmstraße in Berlin am Abend des 30. Januar 1933.

Zur Chronologie der Machtübernahme durch die NSDAP empfehlenswert ist die Zusammenfassung von Michael Wildt auf der Seite der BPB.


Kommentare

Eine Antwort zu „Intermezzo 1934“

  1. Avatar von Benjamin Ernst
    Benjamin Ernst

    Liebe Sandra,

    Mit Hochachtung habe ich Deine Bemühungen in der Aufarbeitung und der Damit verbundenen Geschichtsforschung gelesen. Auf Deine Seite gestoßen bin ich, da Du beim forschen auf meinen Großvater gestoßen bist, als Du nach der Parteinummer gesucht hattest. Ich habe also ähnliches hinter mir.

    Viele Grüsse

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