1.
Zum Abschluss seines Fragebogens muss Ernst zunächst seine Eltern und Großeltern auflisten, deren Alter, ggf. Sterbealter und Todesursache, sowie überstandene Krankheiten. Bei den männlichen Verwandten wird außerdem der Beruf abgefragt.
Vater: Augustin Maier, Landwirt, 71 Jahre, keine überstandenen Krankheiten
Mutter: Karolina Keller, 57 Jahre und 9 Monate, keine überstandenen Krankheiten
Großvater väterlicherseits: Augustin Maier, Landwirt, Sterbealter 67 Jahre, Todesursache Altersschwäche, keine überstandenen Krankheiten
Großmutter väterlicherseits: Kreszentia Asal, Sterbealter 32 Jahre, Todesursache Lungenentzündung, keine überstandenen Krankheiten
Großvater mütterlicherseits: Johann Keller, Landwirt, Sterbealter 74 Jahre, Todesursache Altersschwäche, keine überstandenen Krankheiten
Großmutter mütterlicherseits: Katharina Eckert (?), Sterbealter 81 Jahre, Todesursache Altersschwäche, keine überstandenen Krankheiten
Ich versichere hiermit, daß ich vorstehende Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe und bin mir bewußt, daß wissentlich falsche Angaben den Ausschluß aus der SS nach sich ziehen.
Grenzach b/Lörrach, den 20. September 1935
SS-U.Scharführer Maier
2.
Zu den Anlagen zum Antrag gehört ein „Ärztlicher Untersuchungsbogen (Für Mann oder Frau sinngemäß verwenden!)“, auch dies ein Vordruck des RuSHAs:
Das Dokument ist gestempelt mit Ernsts VB-Nummer (vgl. hier), evtl. hat er den Vordruck bereits gestempelt erhalten.
1. Aussagegenehmigung.
Ich entbinde hiermit Herrn Dr. Hänßler sowie meine früheren Ärzte gegenüber dem R.u.S-Hauptamt von der ärztlichen Schweigepflicht und ermächtige das R.u.S.-Hauptamt, diese Angaben zur Eheberatung zu verwenden.
Ort: Schopfheim Datum: 4.X.35
Unterschrift Maier Ernst
2. Familienvorgeschichte
(Es sind anzugeben: 1.) erreichtes Alter, 2.) evtl. Todesursache, 3.) genaue Angaben über auffällige Störungen, z.B. endocrine Störungen, allergische Zustände, Alkoholismus).
Kinder (auch uneheliche) des (der) Untersuchten: keine
Vater: lebt, ist gesund, 71 Jahre alt.
Mutter: lebt, ist gesund, 59.
Geschwister: 14 Geschwister (11 alle gesund, 3 gestorben (1 gefallen 1 Augenentzdg. 1 Gallensteinoperation)
Geschwisterkinder: 7 alle gesund, 1 mit 18 Monaten an einer Halskrankheit gestorben
Großeltern väterlicherseits: Großvater mit 72 Jahren an Altersschwäche gest., Großmutter mit 81 Jahren gest. keine besonderen Krankheiten.
Großeltern mütterlicherseits: Großvater mit 71 Jahren gest. Großmutter mit 81 Jahren gest. keine besonderen Krankheiten.
Es fällt auf, dass die Daten nicht übereinstimmen. In seinem eigenen Fragebogen gibt Ernst für die Großeltern als Sterbealter 67 / 32 Jahre und 74 / 81 Jahre an. Der Arzt, der diese Angaben zusätzlich nochmal machen und dazu ja vermutlich abfragen muss, gibt jedoch 72 / 81 und 71 / 81 an.
Da zumindest der frühe Tod der väterlichen Großmutter nicht verwechselt werden konnte, scheint nahe zu liegen, dass der Arzt entweder nicht gut zugehört hat und daher für beide Großelternpaare die gleichen Sterbealter-Angaben nutzte, oder er evtl. gar nicht gefragt hat und einfach „sinnvolle“ Angaben machte.
Ein Blick in den Stammbaum – der auch mit abgegeben werden musste und den ich natürlich auch noch im Detail analysieren werde – liefert folgende Lebensdaten:
1. Augustin Maier (Vater), geb. 15.9.1864 = 71 Jahre
2. Karolina Maier, geb. Keller (Mutter), geb. 12.2.1877 = 58 Jahre
3. Augustin Maier (Großvater), geb. 22.11.1823, gest. 12.1.1891 = 67 Jahre
4. Kreszentia Maier, geb. Asal (Großmutter), geb. 28.8.1839, gest. 21.7.1873 = 33 Jahre
5. Johann Keller (Großvater), geb. 21.2.1837, gest. 19.8.1911 = 74 Jahre
6. Katharina Keller, geb. Eckert (Großmutter), geb. 29.10.1840, gest. 18.7.1921 = 80 Jahre
Also zumindest die Richtung stimmt bei Ernsts eigenen Angaben: Die Großmutter väterlicherseits ist jung gestorben, der Großvater väterlicherseits starb vor Ernsts Geburt, die Großeltern mütterlicherseits hat er noch kennen gelernt.
Dr. Hänßler: Dr. Eugen Hänssler (1888 – 1945; Gefallenengrab Friedhof Schopfheim), vgl. auch hier
Wieso geht Ernst in Schopfheim zum Arzt?
Ich kann aktuell (noch) nicht feststellen, ob eine Verpflichtung bestand, sich von einem der SS angehörigen Arzt untersuchen zu lassen, es liegen mir auch keine „Anweisungen zum Antrag“ o.ä. vor, Herr Dr. Hänßler unterzeichnet jedoch mit Rang und Dienststellung:
Ort: Schopfheim, 4.X.35 Roggenbachstr. 3 Datum: 4.X.35
Hänßler, Dienstgrad: SS Hauptscharführer Dienststellung: SS Sturmbannxyz II/65 (vgl. hier) m.l.s.b. (?)
(Dienstgrad und Dienststellung werden nur von SA-, SS-Ärzten usw. angegeben.)
Eugen Hänßler war also im selben SS-Sturmbann wie Ernst, wenn auch drei Ränge höher.
UPDATE, mit Dank an Heiko Wegmann:
Dr. Eugen Hänßler war Führer der Sanitätsstaffel des Sturmbanns II (Lörrach) der 65. Standarte (m.d.F.b. = mit der Führung beauftragt, das war die Stellung, solange sie nur kommissarisch ausgeübt wurde).
Alle Angehörigen des Sturmbanns, aber auch der Reserveeinheiten usw. in der Gegend waren angehalten, sich von ihm untersuchen zu lassen. Eigentlich auch die Ehefrauen in spe, aber das hing vom Zeitpunkt ab, anfangs konnten diese sich die Ärzte noch selbst aussuchen.
Eheberatung: Hierzu wurde 1935 eine eigene Abteilung im RuSHA eingerichtet, vgl. Heineman, Isabel: Rasse, Siedlung, deutsches Blut, S.103, FN149 hier. Später mehr dazu.
1 gefallen: Zu den zahlreichen Geschwistern von Ernst hat mir Opa folgendes erzählt:
* Die Mutter (Karolina) war selbst Hebamme und hat alle ihre Kinder zuhause bekommen.
* Sie hatte insgesamt 15 Kinder.
* Einige der Namen: Karl, Bernhard, Berta, Albert, Gusti, Marie, Helen
Von einem Bruder, der gefallen ist, war mir bisher nichts bekannt. Natürlich kann man davon ausgehen, dass zumindest einige der Söhne im 1. Weltkrieg dienten. Die Eltern waren seit 1894 verheiratet (da war Karolina knapp 17, sie hatte also viel Zeit, all die Kinder zu kriegen), Ernst war nicht der älteste Sohn.
Wer dieser Bruder war und in welchem Verhältnis Ernst und er standen, ist nicht bekannt. Es könnte durchaus sein, dass (auch) sein Tod mit dazu beigetragen hat, dass Ernst unbedingt noch in den Krieg wollte, obwohl er eben nicht alt genug war.
Für Zell, die Gemeinde zu der Adelsberg, der Wohnort der Maiers gehört, finden sich folgende Gefallene namens Maier: Alois, Eduard, Emil, Josef, Karl August (hier).
Begraben (?) wurden folgende Soldaten namens Maier: Emil, Karl (hier).
Auf der Seite genealogy.net habe ich für Zell i.W. folgende Verwundete bzw. Gefallene gefunden:
Eduard, leicht verwundet 1916
Emil, geb. 28.12.1890, leicht verwundet b.d.Tr. 1917
Franz Joh., schwer verwundet 1915
Josef, geb. 11.10.1897, leicht verwundet 1916
Otto, geb. 20.12.1893, gefallen 1917
Hier finde ich schließlich auch Aug. Maier, gefallen 1915:
Das ist er bestimmt. Der älteste Sohn, der den Namen von Vater und Großvater trägt, zunächst schwer verwundet und dann im Feldlazarett gestorben, August 1915, wahrscheinlich in Ypern. (vgl. hier und hier).
Zum Gedenken in Adelsberg siehe: https://www.badische-zeitung.de/gedenktafel-fuer-die-gefallenen-der-kriege–22229311.html
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